Kirchliche Identität und Wahrheitsanspruch
Grundzüge einer Metakritik theologischen Argumentierens
Schlagwörter:
Kirche, Identität, Wahrheit, Macht, SpracheAbstract
In den aktuellen Debatten um Reformen innerhalb der katholischen Kirche spielt die Sorge um deren Identität eine maßgebliche Rolle. Dabei mischt sich das berechtigte Interesse, den evangelischen Ursprüngen der Kirche treu zu bleiben, mit der Tendenz von Institutionen, ihre eigene Existenz zu sichern. Wer diesen Aspekt ausblendet, läuft Gefahr, jeden Dissens über die angemessene Gestalt kirchlicher Normierungen für einen Dissens über die Wahrheit des Glaubens zu halten. Demgegenüber ist der Doppelgestalt der Kirche Rechnung zu tragen, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil betont: Die Kirche ist sowohl eine geistliche Wirklichkeit als auch eine soziologisch fassbare Größe. Deshalb ist die Frage nach der Konstitution kirchlicher Identität so zu stellen, dass Theologie und Soziologie einander nicht widerstreiten, sondern ergänzen. Dabei zeigt sich unter anderem, dass Wahrheitsansprüche immer auch mit Machtkonstellationen verknüpft sind. Indem die sprachliche und kulturelle Bedingtheit jeder Glaubenspraxis und auch Glaubensnorm aufgedeckt wird, wird deutlich, dass eine konstruktiv gemeinte Kritik an Institutionen nicht automatisch den Wahrheitskern des christlichen Glaubens und somit die Identität der Kirche infrage stellt. Vielmehr bedarf es in der Kirche, wie Peter Hünermann betont, eines komplementären Zusammenspiels unterschiedlicher Bezeugungsinstanzen des Glaubens mit ihren jeweiligen Kompetenzen und Zuständigkeiten.
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